Inmitten einer Betonwüste, im Herzen von Frankfurt, wird es samstags richtig grün. Dann baut Thomas Wolff mit seinem Team seinen Stand auf dem Platz an der Konstablerwache auf. Dutzende Kisten voll mit knackig frischem Gemüse und Obst türmt er auf, legt Äpfel, Birnen, Paprika zum Naschen und Probieren bereit - es ist Markt.
Dass nur Produzenten ihre eigenen Waren auf der Konstablerwache anbieten, darauf legt Wolff großen Wert. "Viele Betriebe sind schlicht zu klein, um zum Beispiel den klassischen Lebensmitteleinzelhandel zu beliefern", sagt er, "wer jedoch besondere Produkte und gute Qualität anbietet, der findet hier einen guten Absatzweg und kann die Preise verlangen, die er braucht."
Für Thomas Wolff jedoch ist der Wochenmarkt mittlerweile das kleinste Standbein. Seit 1985 baut er im Raum Frankfurt Bioland-Gemüse an, verkaufte es zunächst nur auf Märkten, bis er sich entschied, 1996 den Lieferservice Querbeet zu gründen. In einer Erzeugerkooperation mit zwei weiteren Höfen versorgt er heute die Großregion Frankfurt mit Boxen, die sich jeder Kunde individuell zusammenstellen kann. Das fordert eine große Portion Flexibilität, doch für Wolff ist es nur konsequent, auf die veränderten Bedürfnisse seiner Kunden einzugehen. "Der Lebensmitteleinzelhandel wird immer stärker. Die Kunden sehen immer seltener die Notwendigkeit, zu den Hofläden rauszufahren. Deshalb liefern wir ihnen ihre Lebensmittel bis vor die Haustür", erklärt er.
Bereits seit 18 Jahren gehört ein Onlineshop zu Querbeet, bei dem sich die Kunden ihre Kiste auch vorpacken lassen und selbst am Hof zu einer beliebigen Zeit abholen können, ein Bio-Drive-in nennt Wolff das. Für ihn ist ein Onlineshop eine wichtige Plattform für Direktvermarkter, die Fortschritt und Kundenorientierung beweist. Zusätzlich verschickt Wolff wöchentlich Newsletter mit Wochenangeboten, organisiert Kinoabende und Hoffeste. "Dieses Jahr hatten wir 3000 Leute bei uns auf dem Pappelhof", berichtet Wolff, "da war ganz schön was los. Es kostet zwar Nerven und Kraft, aber es macht wahnsinnig Spaß und es bringt was", erzählt er.
Das Beispiel Querbeet zeigt: Direktvermarktung ist heute mehr als nur ein Hofladen, auch wenn diese mit 1822 Stück immer noch den größten Anteil an der bundesweiten Direktvermarktung tragen. Besonders der Onlinehandel wird stetig stärker, zum Beispiel mit Abo- oder anderen Lieferkisten. Die Direktvermarkter sind heute Experten in Anbau und Verarbeitung ihrer Waren, sie müssen aber auch Know-how in Sachen Verpackung, Hygiene, Lagerung, Transport und - immer stärker - auch Marketing und Kommunikation zeigen.
Diese wachsenden Ansprüche könnten mit ein Grund sein, warum in den vergangenen Jahren die Anzahl direkt vermarktender Betriebe abgenommen hat. Laut den statistischen Landesämtern sank der Anteil der Direktvermarkter an der Gesamtzahl ökologisch wirtschaftender Betriebe von 14 Prozent 2010 auf 11,2 Prozent im Jahr 2016. Jedoch ergab ein mit Bundesgeldern gefördertes Forschungsprojekt, dass 70 Prozent der befragten Ökobetriebe planen, ihre Direktvermarktung auszubauen. Dies trägt den Wünschen der Verbraucher Rechnung, die immer mehr auf Qualität und Herkunft bei Lebensmitteln achten und auf den direkten Kontakt mit Erzeugern Wert legen.
Experten sprechen der Direktvermarktung daher auch künftig gute Absatzchancen zu und schätzen sie als Alternative zum "Wachsen oder Weichen" im Agrarsektor. Jedoch sehen sie es als notwendig an, dass Betriebe kooperieren und so den veränderten Kundenwünschen gerecht werden. Thomas Wolff von Querbeet richtet seinen Betrieb nach diesen Wünschen aus. "Der Kunde ist unser Auftraggeber", sagt er. "Deshalb müssen wir in der Vermarktung immer wieder dessen Sicht wagen." Das sieht er aber auch als den großen Vorteil gegenüber dem unbeweglichen Lebensmitteleinzelhandel. "Wir können beraten, individuellen Service anbieten, authentisch bleiben. Das können wir besser", konstatiert er - und blickt deshalb trotz der erhöhten Konkurrenz am Markt optimistisch in die Zukunft.
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